Der Mallorca Brite

Der erste Eindruck bleibt.

Zum ersten Mal in Glasgow zu sein bedeutet einen neuen Eindruck von Schottland zu bekommen. Bisher war mir nur Edinburgh vertraut. Glasgow zeichnet aber ein ganz anderes Bild von Schottland. Edinburgh bedeutet Geschichte, Märchen und Tradition.

Glasgow hingegen ist nach dem ersten Eindruck irgendwie weniger schottisch im stereotypischen Sinn sondern mehr englisch. Es ist lauter, man sieht viel mehr Obdachlose, es ist dreckiger, die Menschen erinnern hier mehr an den typischen Briten, wie man ihn vom Mallorca-Urlaub kennt.

Das ist zwar alles mit Vorurteilen gespickt, entspricht aber irgendwie auch der Wahrheit. Glasgow ist kantiger als Edinburgh.

Schotten müssen wirklich von unerschrockenen, absolut resistenten Wikingern abstammen, denn Kälte scheint schottischen Männern und Frauen absolut nichts auszumachen. Während ich Unterhemd, Wollhemd, Pullover, Fließjacke, Regenjacke, Schal, Mütze und Handschuhe trage, trägt der Schotte bei Minusgraden gerne mal T-Shirt und kurze Hosen. Warum auch nicht es scheint ja die Sonne. Zeit für, das Frau fasst sich an den Kopf Emoji. Ich war wirklich hin- und hergerissen zwischen Faszination und Fassungslosigkeit angesichts dieses wikingerhaften Verhaltens der Schotten.

Freitagnacht in Glasgow

Besonders beeindruckend wird es, wenn nachts die Mädels in wirklich sehr kurzer Kleidung, die nur noch ein Bruchteil des weiblichen Körpers bedeckt und gerade noch als angezogen gelten kann und Schuhen, die man sonst im Zwielicht eines Rotlichtviertels findet. Dann erreichte die Fassungslosigkeit angesichts dieses nach Grippe schreienden Verhaltens seinen Höhepunkt. Ich hab meinen Kopf, dann noch tiefer in meinen Schal vergraben um mich gegen die eisige Kälte zu schützen.

Der Morgen danach

An einem Samstagmorgen, die Sauchiehallstreet entlang zu laufen gleicht einem wahren Slalomhindernislauf und die Hürden sind Essenreste, Glasscherben und Erbrochenes. Ich selbst bin kein Partytier aber in Glasgow scheint man feiern gehen zu können.

Völlig fasziniert musste ich in Glasgow auch feststellen, was man alles aus Augenbrauen machen kann und ich meine damit nicht die Art der Augenbrauen, die sich harmonisch in das Gesicht fügen und einen Rahmen dafür bilden. Nein, ich meine rotbraune bis schwarze, mindestens einen Zentimeter dicke, mit Farbe aufgemalte Balken, die jedes noch so hübsche Mädchengesicht dominieren und wie ein Autounfall wirken, man muss hinschauen. Wirklich kein schöner Trend, den ich in Glasgow bewundern durfte. Natürlichkeit scheint sich auch sonst nicht allzu großer Beliebtheit zu erfreuen und Make-up sich als der beste Freund eines Mädchens zu etablieren.

Die Menschen in Glasgow haben immer noch etwas von dem Arbeitercharme einer Industriestadt, die Glasgow einst war.

Es wäre ungerecht von Glasgow nur das Bild einer Arbeiterstadt zu zeichnen. Vielmehr ist Glasgow die schottische Hochburg für wunderschöne Street Art. Ganze Gemälde werden hier an Häuserfronten hinterlassen. Ich denke, das wird gemacht, um die Stadt etwas bunter zu machen und das funktioniert sehr gut.

In Glasgow kann man einiges unternehmen, um sich Wissen anzueignen, das Glasgow Science Center, der People´s Palace, das Riverside Museum of Transport and Technology, die GoMA Gallery of Modern Art und das liebevoll eingerichtete Kelvingrove Art Gallery and Museum bieten einiges an Möglichkeiten. Wer historische Gebäude liebt wird auch in Glasgow fündig, in der St. Mungo´s Cathedral befindet sich das Grab des gleichnamigen Schutzpatron Glasgows. Neben der St. Mungo´s Cathedral liegt die Glasgow Necropolis. Auf einem ruhigen Berg mitten in der Stadt findet man beeindruckende alte Grabmäler und man hat einen tollen Ausblick über Glasgow.

Normalerweise erkunde ich die Städte, die ich besuche zu Fuß. In diesem Fall musste ich aber mal eine Ausnahme machen, denn bekanntermaßen ist Sport ja auch ein kleines bisschen Mord und ich hatte eine Fußverletzung. Alternativ hab ich das erste Mal einen Hopp on Hopp off Bus gewagt und fand das gar nicht so schlecht. Die Tour durch Glasgow hab ich sogar zweimal gemacht.

Ich weiß nicht ob es mich noch ein zweites Mal nach Glasgow zieht. Ich möchte dennoch meine Empfehlung für diese kantige, freundliche und charmante Stadt aussprechen, auch wenn der Charme ein spezieller ist.